Aspekte von Volksschule und Menschenbildung. Ein polemisch-instaurativer Hinblick 

Aspekte von Volksschule und Menschenbildung.
Ein polemisch-instaurativer Hinblick
 

Von Bernhard Benz

Weitgehende Kongruenz kennzeichnet heute die Gesinnungs- und Motivationstendenz von exzessiv renditefixierter Wirtschaft, populistischer Politik, produktverpflichteter Wissenschaft, instinktorientierten Massenmedien, konsumverblendeter Gesellschaft und – der Volksschule! Nahezu hermetisch geschlossen präsentiert sich der kausale Kreislauf zwischen Menschenbild dekadenter, egomaner und hollywoodisierter Ausprägung und wechselweise es abbildender und vorformender „Menschenbildung“.
Pädagogikwissenschaftler liefern beispielsweise in jüngster Zeit – hofiert von trendhurtigen Didaktiktheoretikern – den Erziehungspolitikern, die weder dem perpetuierten Businesswahn noch der androidogenen Technologisierung noch der Instrumentalisierung der spassbetäubten Massen kritisch reflektierend oder gar folgenbewusst restriktiv gegenüberstehen, fachspezifisch isoliert argumentierende Gutachten ab, die den „empirisch ausgeforschten“ Sachverhalt belegen sollen, dass Kinder je früher, desto besser und gleich mehrere (Fremd-)Sprachen gleichzeitig erlernen können. Der Pragmatiker aber kann, ja muss unbeeindruckt offen lassen, wie viel oder wenig neurologische Relevanz diesem gefälligen Befund zugebilligt werden soll, denn er muss mit Blick auf die 
reale Volksschulpraxis konsterniert feststellen: Sie lernen nicht einmal eine, die deutsche Sprache!
Die (mutter-)sprachlosen viel zu Vielen wimmeln und wimmern auch noch als Pflichtschulabgänger – und dann erst recht – wie blind durch den klebrigen, süsslichen, rosaroten Brei von Überfluss, Überbefriedigung, Überernährung, Ding- und Reizüberflutung, der endlos nachwallend meterhoch über ihre Kinder- und Jugendwelt ergossen ist, und werden nie zum rettenden Port progredienter Individuation und zu heiterkeitlicher Lebensklugheit finden. „Die Sprache ist der Spiegel des Verstandes“, sagte der grosse Universalgelehrte Leibniz. Die vermeintliche Boudoir-Metaphorik dieses Diktums kann dazu verleiten, es halb beiläufig, unausgeschöpft passieren zu lassen. Versuchen wir etwas einlässlicher darauf einzutreten, was sprachliches Vermögen oder Sprachkompetenz ist und welche Bedeutung ihr im Zusammenhang mit der Menschenbildung zukommt. Was mit Sicherheit 
nicht gemeint ist: ein zwei- oder dreisprachiges Daherradebrechen von einigen Dutzend Vokabeln, die das alltagsweltlich Naheliegendste plus drei, vier Handvoll Computerbedienungsfunktionen bezeichnen. Nein! Sprachkompetenz ist jene fundamentale essentiell menschliche Fähigkeit, die sich in einem individuell zwar unterschiedlich anspruchsvoll entwickel- und entfaltbaren, aber zunächst jedenfalls ein- oder mutter- bzw.grundsprachlich persönlich optimierten, struktureinsichtigen, formenvielfältigen, nuancierungsreichen und differenzierungsgeschulten, auch literarisch erfahrenen und philosophierend erprobten Denk- und Äusserungsvermögen manifestiert. Die mit dem Ausbildungsgrad der Sprachkompetenz korrelierende Fähigkeit zur begrifflich reflektierten Weltwahrnehmung und -erschliessung macht den wesensmässig arteigensten Teil des Menschlichen am Menschen aus, hebt das Individuum vom Vegetieren ins humane Daseinsbewusstsein, bestimmt seine Selbsterkenntnis, seine Selbstverantwortung, die Autonomie und Mündigkeit seines Handelns und eine wachsame, realistische Einschätzung fremdinitiierten, manipulativen Machtmissbrauchs, ermöglicht die Teilnahme und Teilhabe am Denken, Fühlen und Wohlergehen der Mitmenschen über das rein Intuitive hinaus und gewährleistet eine potentiell hohe Qualität seiner Kommunikationsdisposition.
Wenn in Hinsicht auf diesen Menschenbildungsschwerpunkt in der Primarschule das Mögliche geleistet würde, erleichterte sich auch der (dannzumal strukturkundiger analogisierende) Zustieg zu einer oder zwei Fremdsprachen in der Oberstufe. Aber eben: Sie lernen nicht einmal 
eine Sprache – und zwischen den Sprach- und Denkrudimenten zerbröselt die Aussicht, zum vernunftbegabten, aufgeklärten, Gleichberechtigung, Geschwisterlichkeit und Empathie bejahenden Individuum heranzureifen, wuchert animalische, uninspirierte Beschränktheit, die nichtsublimierbarer Aggressivität und körperlichem Gewaltverhalten Vorschub leisten kann –, und abseits der Action- und Eventschauplätze verrottet das reiche literarische und philosophische Erbe, und die vermeintlich rettende Zufluchtnahme zu kiloweisen Internettextausstössen verkommt gleichsam zur Defäkation funktionaler Makulatur.
Liebe Leserin, lieber Leser, nennen Sie an dieser Stelle die hauptsächlichen der von Einsichtigeren längst erkannten und sattsam beklagten verursachenden Gründe für das Scheitern(müssen) der Volksschule hinsichtlich dieses und anderer wichtiger Menschenbildungsaspekte, und tun Sie – nach selbstkritischem Überdenken eines allfälligen eigenen Teilmitverschuldens –, was in Ihren Kräften steht, um den verhängnisvollen Zirkel aufzubrechen!
Durchschauen Sie mit mir zum Beispiel die gegenwärtig von einem Spasspädagogen an den oder die nächste weitergereichte grassierende Attribuierung volksschulischer Lehrmethode: 
spielerisch zu lernen – und weisen Sie sie und die damit angezeigte Absicht und angedrohte Praxis zurück! Dies umso mehr, als derzeit jeder Verdacht gerechtfertigt erscheint, sie lasse sich teilweise auch als defensive, präventiv beruhigende Geste gegenüber einer Mehrheit von erziehungs-, anstrengungs-, mitverantwortungsunwilligen und gerade deshalb notorisch dreist einmischungsbereiten Elternschaften interpretieren. Abgesehen davon, dass es wohl eher heissen sollte: im Spiel, spielhaft, spielartig, spielend lernen – denn „spielerisch“ ist von „Spieler“ abgeleitet und bedeutet so viel wie tändelnd oder verspielt –, gilt es aber auch Grundsätzliches zum Spielbegriff zu bedenken.
Der Holländer Johan Huizinga fragte sich in seiner epochalen anthropologischen Untersuchung „Homo Ludens“ (1938), ob den Gattungstiteln für den heutigen Menschen, Homo sapiens (der vernunftbegabte Mensch) und Homo faber (der verfertigende Mensch), nicht mit ebenso viel Recht die Bezeichnung Homo ludens (der spielende Mensch) zur Seite gestellt werden dürfe, wies unter vielem anderen darauf hin, dass auch Tiere spielen, und rückte vor allem die Hypothese in den Vordergrund, wonach die Ursprünge der Kultur des Menschen im feierlich-weihevollen Spiel mythischer Kulte zu suchen sein könnten, in denen sich sein Verständnis von Schöpfer, Natur und Weltordnung symbolhaft abbildend und substitutiv darstellend, huldigend und beschwörend ausdrückte. Von Interesse für den von uns thematisierten Zusammenhang aber ist in erster Linie Huizingas an anderen Stellen dargetane Auffassung, dass zwei Hauptmerkmale des Spiels, die Freiwilligkeit und das Vergnügen, sich im zeitweiligen Heraustreten aus dem Bewusstsein der eigentlichen und ernsthaften Seinsweise des „gewöhnlichen Lebens“ zeigen und damit ihren Ausnahmestatus charakterisieren bzw. hierin denjenigen des Spiels allgemein indizieren. (Mehr über Huizingas Ansichten und Feststellungen zu unterbreiten, ist im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich.)
Das Spektrum dessen, was unter dem Begriff des Spiels subsumiert werden kann, ist breit, reicht vom tierischen oder kindlichem Rauf- und Tollspiel über Rollen-, Rate-, Karten-, Wett-, Kampf-, Schau- und Effektspiele bis hin zu subtilen und/oder diffizilen Strategie- und Denkspielen, und die Qualitätsniveaus bezüglich Spielordnung und -gesetz bzw. Mitspielanforderungen und -ansprüchen sind enorm unterschiedlich. Wie fragwürdig es auch sein mag, dem Freiwilligkeits- und Vergnügungscharakter des „natürlichen“ oder selbstgewählten Spiels einen (situativ verschleierten) Verpflichtungsstatus und eine Lernzielerreichungsabsicht aufzupfropfen (etablierte Ausnahmen: professionalisiertes „Spiel“ wie z. B. Berufssport, Berufsmusik): Der 
Spielerfolg steht oder fällt mit den durch die Mitspielenden im „ernsthaften Leben“ erworbenen Eigenschaften wie Hingabe, Eifer, Ausdauer, Aufmerksamkeit, Redlichkeit, Anstrengung, Regeltreue, Ordnungswille, Überwindung, Mut, Selbstständigkeit, Kreativität, Phantasie u. Ä. und deren Entfaltung im (didaktischen) Spiel. Wo aber, frage ich Sie, geneigte Leserin, geneigter Leser, soll der verzogene, verweichlichte junge Mensch der trieb- und begehrungswillfährigen, besitz-, spass- und egogeprägten Gegenwart die grundlegenden Verhaltensweisen gelernt haben, die sowohl das Gelingen des ernsthaften wie des spielenden Lebens versprechen?

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Zum Wesen dessen, wofür heute der Begriff des Managements steht, konnotieren nicht nur eingefleischte Philanthropen und Altruisten Merkmale wie Kapitalabschöpfungsmaximierung, kalt kalkulierte Menschenmaterialdisponierung, habitualisierte Bluffattitüde, permanenten crewinternen Selbstbestätigungs- und Selbstrechtfertigungsnotstand, profilneurotisches Schaumschlägervokabular u. a. m. Wie hebt und höbe sich von einer so gearteten lächerlich-schrecklichen Zerrmentalität z. B. eine Volksschule ab, die unbeirrt ein prinzipiell edelmütiges, reflexionsfreudiges, phantasiebegabtes, friedfertiges und materiell anspruchsbescheidenes Menschenwesen ihrem Bildungsverständnis zugrunde legt/e und ihre Funktion im Prozess der gesellschaftlichen Entwicklung als agierend und prägend, nicht als reagierend und anpassend wahrzunehmen beauftragt ist/wäre! (Eine intakte Volksschule entlässt bzw. entliesse übrigens gerade auch ins Erwerbsleben und in die Berufsbildung grösstenteils Übertretende, deren Sach-, Sprach-, Sozial- und charakterliche Kompetenz grundsätzlich kaum zu Klagen Anlass gibt/gäbe.) Aber – Unfassbares muss verzeichnet werden: Auch dem letzten Hort potentieller Keimung und Entfaltung von Integrität, Mündigkeit und Belastbarkeit – der Volksschule – wurde aus Gründen imperialistischer Vereinheitlichung von Ideologie und Strategie auf allen Gebieten von ökonomischer, sozialer und politischer Relevanz ein New-Publicity(!)-Management-Konzept übergestülpt!
Fatal hieran ist, dass einer Institution, deren Zweck (bestmöglicher Bildungs- und Kultivierungsstatus für die grösstmögliche Zahl der Schüler) und Realisierungsvoraussetzungen (alle Kinder sind und bleiben ohne Ansehung ihrer Eignung, Motivierbarkeit und Kooperationstauglichkeit von Gesetzes wegen „mitarbeitsberechtigt“) sich von wirtschaftsbetrieblichen Gegebenheiten aufs eklatanteste unterscheiden, Führungs- und Organisationsstrukturen angemessen werden, die schon den angestammten Sektor von Industrie, Gewerbe und Handel durch verabsolutierte Sachwert- und Renditemaximierungsorientierung aus dem Bezweckungszusammenhang herausbrachen, dem Menschen zu dienen und zu nützen und seine Wohlfahrt zu mehren. Nachgerade katastrophal jedoch ist, dass mit der Installierung und Professionalisierung von direktorialen Schulleitungen ein Volksschulmanagement etabliert wurde, dessen Funktionsbestätigungs- und -rechtfertigungsaktionismus vor allem in der markanten Leistung gipfelt, in umgekehrter Proportion zum tatsächlich laufend sich verbreiternden Zustrom unerzogener, bildungsresistenter Kinder, zum damit kontinuierlich sich verschlimmernden Verfehlen relevanter Bildungs- und Kulturtechnikbeherrschungsziele, zur rasanten Mutation der Bildungs- zur Hortnerfunktion und zur unaufhaltsamen Entintellektualisierung und Trivialisierung der Lehr- und Lerninhalte umso massiver und vehementer mittels Leitbildern, Bulletins, Evaluationspapieren und Presseaussendungen verbal die öffentliche Dauerrezeption der effektiven Begriffshülsen von Innovativität, Schulqualität, Transparenz und Qualitätscontrolling zu besorgen. Ein nützlicherer Zweck, als damit dem in den eigenen täglichen Trieberfüllungsstress verwickelten, fortschrittsfrommen Volk die schulleitungsabhängigen Hauptverdienste zu insinuieren und zugleich die genannten alarmierenden Sachverhalte zu kaschieren, ist dieser selbstbezüglichen, imagebedachten Betriebsamkeit kaum zuzusprechen. (Im managementlosen Schulunterricht des prähedonistischen, voramerikanistischen Zeitalters erreichten Lehrer bzw. die Mehrheit ihrer Schüler noch häufig das Ziel solider Bildung und der Beherrschung der wichtigsten Kulturtechniken. Wo eine Gesellschaft degeneriert, wäre bei den wirklichen Ursachen kurierend einzugreifen; der hektische und trendkonforme Umbau organisatorischer, struktureller und didaktischer Belange der Volksschule aber begünstigt die beschleunigte Anpassung an die gesellschaftliche Dekadenz und untermauert diese.)
Als augenfälligste Auswirkungen der lehrkörperbezogenen Entwicklung der reformgeprägten letzten Jahre sind die folgenden sie charakterisierenden Phänomene zu nennen: Zu Schulleitern lassen sich mehrheitlich „naturgemäss“ hierarchisch ambitionierte, opportunistisch-systemhörige Lehrer umfunktionieren, die zudem mit guten Gründen die Entlastung von aufreibender praktischer Frontarbeit suchen; der einzelne Lehrer sieht sich nominell von bisher freigeistig getragener Verantwortung entbunden, faktisch aber entmündigt und zurückgestuft, Lehrkörperschaften werden verteamt, schlimmstenfalls verherdet; unsouveräne Schulleiter verpassen dem lokalen Lehrkörper das repräsentative Erscheinungsbild von Homogenität (nach ihren Intentionen) und (führungsbezogen) subordinationswilliger Einvernehmlichkeit, brechen mithilfe eines zuträgerischen Günstlingskreises oder -klüngels und gestützt auf Personal- und Anstellungskompetenzen allfälligen vereinzelten Oppositionsmut; profilierte, leidenschaftlich engagierte, aber eigenwillig herausragende Lehrpersonen sehen sich über kurz oder lang einem teaminternen oder schulkreisweiten Mobbing ausgesetzt; Schulbehörden (evtl. mitsamt sich eher behördenah situierendem Schulleiter) nehmen strengere Lehrer mit restaurativerer, vielleicht etwas elitärerer Bildungsauffassung, die auch bei den Kindern auf einem solideren Arbeitsethos insistieren, kaum mehr gegen frech intervenierende Eltern in Schutz, die die psychische Verletzlichkeit ihres monströs verzogenen Sprösslings zeternd gegen unzumutbare behutsame Erziehungsversuche des Lehrers reklamieren und auf Massnahmen gegen Letzteren drängen …
Konstanz des gegenwärtigen Trends vorausgesetzt, wird der volksschulische Menschenbildungsauftrag in Zukunft wohl fast ausschliesslich einem Typus von Lehrperson überantwortet werden, der sich zeitgeistorientiert, konsumgesellschaftsgenehm, dummheitsassimilierend und „Kunden“-freundlich sein Überleben zu sichern Spass hat; sein Signalement (als Menetekel zu lesen): von gleichem Holze wie die Kinder und ohne nennenswerten intellektuellen Vorsprung gegenüber diesen; jung, flexibel, jobsharend, weiblich; hortnerisch, exzessiv integrationistisch die Klassenlernziele sukzessiv (noch) tiefer nivellierend; ohne Beseeltheit durch eine reflektierte Vision idealischer Bildungsziele; Politik, Behörden und Vorgesetzten gegenüber mustergültig, ängstlich und devot subordinationsbereit und dem majoritären Jugendkultidolismus und Spasswillen dienstfertig und verständnisinnig vorauseilend. 

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Epilog: 1. In einer Betrachtung zur „postmodernen Massengesellschaft“ (in der Zeitschrift „Agora“, Nr. 07, Juni 2003, S. 20) gab die Philosophin und Publizistin Katja V. Taver im Zusammenhang mit einer konstatierten allgemeinen „Verflachung des Menschen“ das (bildungspolitische) Postulat der Chancengerechtigkeit“ zu bedenken und diagnostizierte zur gegenwärtigen Situation ebenso luzid wie prägnant: „Natürliche Dummheit gilt als ungerecht, widerspricht der Chancengleichheit und wird zum allgemeinen Massstab erhoben.“ 2. Die deutlich akzentuiertere Polemik im zweiten Teil dieses Beitrages – zu Schulmanagement und Lehrpersonen – widerspiegelt eine gewisse Resigniertheit des Verfassers hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer Besinnung der Volksschulkultur-Verantwortlichen auf zentrale Kriterien einer spezifisch menschlichen Fort-, besser Höherentwicklung etwa im Sinne kantscher Postulate zu Aufklärung und Ethik, und der leicht sarkastische Tonfall entspricht der illusionslosen Gewissheit, dass nirgendwo und -wie dazu geeignete Lehrkräfte rekrutierbar wären bzw. sich deren unbedingte Durchsetzungsautorität kaum gegen die demokratisch verankerte Massenidiotie reinstallieren liesse. 3. Im Interesse eines Auswegs aus dem Dekadenzkontinuum genügt der Umstieg auf die so genannte Tagesschulstruktur bei weitem nicht: Kinder müssten (vorderhand) von Geburt an bis zur Erreichung des Mündigkeitsalters dem Einflussbereich des Privaten (ehemals „Familiären“) so konstant und konsequent wie möglich entzogen werden. 4. Am leser- und leserinnenseits zweifelsfrei mählich herbeigesehnten oder -geflehten Ende dieses Aufsatzes will sich doch schliesslich auch des Autors Hang zu Selbstironie und humorvoller Gelassenheit artikulieren: Wer kann wissen – wird daher jetzt vielleicht etwas kassandrisch vexierend oder auch irgendwie unbetroffen halbbelustigt gefragt –, ob dem gegenwärtig erstaunlich schnell und zukünftig wohl noch prompter mutierenden Exemplar des seinerzeit utopisch-programmatisch so bezeichneten Homo sapiens nicht ein problemgeläuterteres, glückhaftigkeitsartigeres, bald einmal synthetisch applizierbares und lebenszeitübergreifend installierbares Existenzbewusstsein, gleichsam eine dannzumal kollektiv konditionierte leid-, lust- und bedürfnisbefreite Wunsch- und Kummerlosigkeit erwächst, wenn es sich widerstandslos dem Prozess anheim fallen lässt, der zum Zustand des genetisch reparierten und manipulierten, apparate- und computerkompatibilisierten, chemisch-pharmazeutisch standarddesignten, technisch-virtualisiert entseelten und funktionalisierten, uniformen roboterverschwisterten Kunstmenschen führt?

(Kaltbrunn, Juli 2005) 
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