Über „Glück“ diskutieren

Über „Glück“ diskutieren

Von Bernhard Benz

Grundsätzliches:
„Glück“ zähle ich (wie u. a. auch „Wahrheit“, „Freiheit“, „Liebe“, „Gott“) zu einer von mir so bezeichneten Gruppe von ominösen Begriffen. Merkmalstypisch für Letztere scheint mir, dass sie 1.) nur vage denotativ bestimmt (bestimmbar) sind, 2.) einem weiten Feld kollektiver wie individueller, konventioneller wie eigenwilliger Konnotationen und Interpretationen offenstehen und 3.) damit gleichsam unwillkürlich jeder und jedem die (wohlfeile) Möglichkeit, das (vermeintliche) Recht, die (zweifelhafte) Kompetenz offerieren, sich zu ihnen oder über sie bzw. über das durch sie bezeichnet und benannt Geglaubte sowie darunter persönlich Verstandene u. U. mit uferlosen Weiterungen und Ergänzungen, Schlüssen und Behauptungen (meist) überzeugungsgewiss zu äussern … Sollte zu einem solchen Begriff eine wie immer auch einigermassen erspriessliche Diskussion geführt werden wollen, halte ich es für unerlässlich, den thematisierten Gegenstand vorgängig so gut wie möglich konsensuell durch eine wenigstens hypothetisch formulierte Definition immerhin so weit einzugrenzen, dass darnach nicht einfach über alles schlechthin menschenmöglich Sagbare palavert werden kann. Gleichwohl räume ich im Rahmen einer einlässlicheren Erörterung des Themas „Glück“ dem Begriff – auch unter den „ominösen“ – eine gewisse Sonderstellung ein. Aufgrund seiner v. a. im Hinblick auf die lebenspraktische Relevanz weitgehend nur subjektiv sinnvoll benenn- und beschreibbaren und damit ungewöhnlich eng an die Sichtweise des aus- und darlegenden Individuums gebundenen Bedeutung scheint einer normativ oder gar präskriptiv motivierten Argumentationsintention zwar nicht jegliche Berechtigung a priori abzusprechen notwendig, doch sollte sie ihrem Impetus die Zügel der Zurückhaltung und Behutsamkeit anlegen und nur auf Aspekte zielen, in denen anthropologisch gesicherte Erkenntnisse zur Wesensnatur der Spezies Mensch hinsichtlich allgemein behauptbarer und als nah verwandt geltender Beschaffenheit und Funktion von Wahrnehmung, Empfindung, Intuition und Bewusstsein zum Ausdruck kommen. (Geneigtere Leser werden mich wohl kaum einer Vorgreiflichkeitsabsicht zeihen, wenn ich hier ergänzend anmerke, wie wünschenswert es m. E. ist, dass in jeder Personengruppe, die sich zwecks Auseinandersetzung mit dem Thema „Glück“ bildet, aufgrund einer unvermerkten sanften, verantwortungsvoll-klugen Gesprächslenkung durch die besonnensten Beteiligten die Wahrung eines berechtigten Anspruchs auf angemessen verständiges Reflektieren und entsprechendes Formulieren durchgängig möglich bleibt.)

Streiflichternotizen zum Thema:
–  „Glück“ als Dauerzustand (schon gar nicht im Sinne permanenter Euphorisiertheit) ist kaum menschenmöglich, es sei denn, man setze es mit verlässlich und konstant währender Zufriedenheit bei gutem Gesundheitszustand, gesicherter Grundversorgung und vorwiegend heiterem Gemüt gleich.

–  Relativ, doch hinreichend glücklich scheint ein Mensch zu sein, wenn sich ihm die Frage nach (dem) „Glück“ gar nicht bzw. nie stellt. Wie diesen „begnadeten“ Status erlangen?

–  Erziehung zu und Eingewöhnung und Übung in Mässigkeit und Bedürfnisbescheidenheit sowie Selbstvertrauen und Entfaltung konstruktiver Begabungen versprechen, auf den Weg zu einem glückhaft empfundenen Existenzbewusstsein zu verhelfen.

–  Vorfreude ist „nachhaltiger“ als Erfüllung, weil …? Ist überwältigende Freude ohne Leiderfahrung überhaupt möglich?

–  Unterscheidung zwischen (zufallsbedingten) episodischen Glücksereignissen einerseits und einem gesamtheitlich verstandenen, prozessual erworbenen und bewahrten Glückszustand anderseits? Allfälliger (reziproker) Beeinflussungszusammenhang?
–  …

(Kaltbrunn, 14. Oktober 2014)                                                     
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